Initiative Konzerthaus Dresden

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Vorschlag zur Gestalt:

Die Initiative Konzerthaus Dresden hat sich zur Aufgabe gestellt, eine inhaltliche Diskussion über die Pläne zum Umbau des Kulturpalastes in einen Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie auszulösen und diese Diskussion gleichzeitig zu verbreitern: Dresden braucht nicht etwa nur einen Konzertsaal für die Philharmonie, sondern ein Konzerthaus, das in seiner Anlage mit Konzert- und Kammermusiksaal sowie in seiner Gestalt dem Reichtum des musikalischen Lebens der Stadt optimal gerecht wird. Folgt man dieser Einschätzung, dann ergibt sich das Plädoyer für ein neu zu erbauendes Konzerthaus von selbst: Ein konsequent an seiner Funktion orientierter, von innen heraus gedachter Entwurf für einen Dresdner Konzertsaal wird -als Umbau geplant- immer seine Beschränkungen an der äußeren Hülle des Kulturpalastes finden müssen.

In diesem Sinne ist das entscheidende Argument für den Neubau eines Konzerthauses die schlichte Tatsache, daß ein für die beiden großen Dresdner Orchester optimaler Saal im bestehenden Baukörper des Kulturpalastes nicht zu verwirklichen ist. Der Dresdner Musiklandschaft ist mit einem Raumkonzept des 19. Jahrhunderts viel mehr gedient ist als mit einem, das dem 20. Jahrhundert entstammt. Die Umbaupläne für den Kulturpalast orientieren sich jedoch ganz eindeutig an den Philharmonien in Berlin und Köln. Die weltweit gepriesene Einmaligkeit von Staatskapelle und Philharmonie -ihre Wärme und Eleganz- bedarf aber gerade in der Heimat eines authentischen Ortes, an dem sie gepflegt und optimal hervorgebracht werden kann. Diesen Ort vermag nur ein Entwurf hervorzubringen, der die essentiellen Elemente der Konzertsaalarchitektur des 19. Jahrhunderts in sich aufnimmt: eine Kassettendecke mit abgerundeten Ecken, einen den Saal vollständig umlaufenden Gang mit paralleler Außenwand und vor allem die sog. „Schuhkarton-Form“.

Wer im Frühjahr 2001 die von Bernard Haitink dirigierten Mozart-Bruckner-Konzerte der Staatskapelle in Dresden und Amsterdam besucht hat, der konnte erleben, daß der spezifische Klang des Orchesters im großen Saal des Concertgebouw, der neben dem Musikvereinssaal in Wien ein Musterbeispiel eines „Schuhkarton-Konzertsaales“ darstellt, noch wesentlich besser zum Tragen kam als in der Semperoper, deren Verwendung für Symphoniekonzerte ebenfalls kein Optimum darstellt: um wieviel mehr müßte dann nicht die Kulturpalast-geschädigte Philharmonie, deren Qualitätsbewußtsein und Leistungswille unter derart schlechten Bedingungen ja schon beinahe als ein Wunder anzusehen ist, von einem Konzertsaal profitieren, der sich akustisch am Amsterdamer Concertgebouw orientiert?

Für eine geschichtsbewußte Stadt wie Dresden würde sich hiermit nicht zuletzt die Chance eröffnen, wenn schon nicht ein Stück Dresden, so doch ein Stück Sachsen wiedererstehen zu lassen. Es ist allgemein bekannt, daß sich Van Gendt bei seinem Entwurf für das Concertgebouw in Amsterdam ganz wesentlich am wenige Jahre zuvor vollendeten Neuen Gewandhaus in Leipzig orientierte. Um eine ähnlich gute Akustik zu erreichen, übernahm er die wesentlichen Elemente des Leipziger Saales, die soeben als konstruktiv für die Konzertsaalarchitektur des 19. Jahrhunderts aufgezählt wurden. Das Neue Gewandhaus in Leipzig wurde im Krieg zerstört und später abgerissen - aber bis heute kann man sich in Amsterdam davon überzeugen, über welch phantastischen Konzertsaal Sachsen bis 1944 verfügte - und wie notwendig gerade Dresden einen solchen braucht.

Natürlich kann es weder um eine Kopie des Concertgebouw noch um eine originalgetreue Rekonstruktion des Neuen Gewandhauses gehen (die Symphony Hall in Birmingham, die Sumida Triphony Hall in Tokyo oder das am 14. September 2002 eingeweihte Konzerthaus Dortmund sind nur einige Beispiele dafür, daß auch am Ende des 20. Jahrhunderts Konzertsäle in „Schuhkarton-Form“ gebaut werden) - aber eine Orientierung am in Amsterdam Vorhandenen könnte in Dresden genau das Konzerthaus entstehen lassen, das dieser Stadt und ihrem Musikleben wirklich gerecht wird, beherbergt das Concertgebouw doch nicht nur einen der besten Konzertsäle Europas, sondern darüber hinaus einen Kammermusiksaal mit einer nahezu unbeschreiblichen Ausstrahlung und Akustik.

Es sei noch ein sehr wesentlicher Punkt angesprochen: In der Diskussion um einen Konzertsaal für Dresden müssen auch die Interessen anderer Parteien berücksichtigt werden. Die von der Konzert- und Kongreßgesellschaft gestellte Frage beispielsweise, „Wo bleibt in Zukunft die niveauvolle Unterhaltungskunst in Dresden?“, erscheint mehr als legitim. Es ist nicht sinnvoll, Strukturen, die in anderen Bereichen des Kulturlebens funktionieren, zu zerstören - insbesondere dann nicht, wenn damit für die Dresdner Orchesterlandschaft kein wirkliches Optimum erreicht werden würde.

Joachim Bleyl